Das Jahr ist gerettet

Es steht in jeder Angelzeitschrift: Der Herbst gehört den Raubfischen. Aus diesem Grund war ich in den letzten Tagen mit einer bestimmten Absicht unterwegs: Es musste sich doch irgendwo in den Vereinsgewässern noch ein schöner Raubfisch befinden, der unbedingt bei mir beißen wollte. Und so verabredete ich mich mit Niklas am Moorhüttensee, um einen schlanken, grünen und pfeilschnellen Edelfisch zu überlisten. Der große Platz am Fußgängersteg sollte es sein, denn hier hatte ich bereits zwei Monate zuvor einen 51er Hecht landen können. Zugegeben, dank seiner durchaus mickrigen Erscheinung hielt ich ihn im Drill eher für den Köderfisch, aber einem geschenkten Barsch schaut man ja bekanntlich nicht in die Kiemen. Auch Niklas hatte an diesem Tag einen Hecht gefangen, nur entsprachen dessen Ausmaße denen einer stattlichen Bratwurst. So bekamen diese kleinen, aber nicht weniger gierigen Minihechte ihren Spitznamen. 

Der 22. Oktober war einer dieser spätsommerlichen Tage, an denen zur guten Laune nur noch der entsprechende Fang fehlte. Die Stellfischruten mit den doch etwas kleinen Köderfischen waren platziert und warteten auf ihren Auftritt. Ich unterhielt mich mit Niklas gerade darüber, wie beim letzten Mal seine Pose abtauchte, und wenig später eine Bratwurst zu Tage kam. In exakt diesem Moment tauchte Niklas Pose wieder ab. Nach der Schluckfrist wurde der Anhieb, der eigentlich nicht sehr kräftig war, gesetzt. Doch das, was da am Köderfisch hing, schoss durch die Bewegung gleich einen halben Meter aus dem Wasser. Ein wirklich unverschämt kleiner Hecht von 27cm lag kurz darauf im Kescher. Es dauerte keine Stunde, und ich hatte auch einen Biss an meiner Stellfischrute. Mein Kontrahent flüchtete sofort ins Kraut, was den Drill etwas in die Länge zog. Doch letztendlich lag ein deutlich größerer Hecht im Kescher. Ich glaube, in diesen Dimensionen darf man bei drei Zentimetern mehr schon von deutlich reden. So konnte es nicht weitergehen. Jeder hatte seinen Platz abgefischt und saß nur noch die Zeit ab. Deshalb wurde zur Blinkerrute gegriffen und ein wenig der Teich erkundet. Dies brachte zunächst keinen Erfolg, bis wir bei einer freigeschnittenen Stelle im Schilf ankamen. Nach einigen Würfen stellte sich der Erfolg ein. KNUFF! Das war endlich mal kein Kraut. Aber die Schläge in der Rute verrieten, das sich auch hier kein neuer Rekord anbahnte. So kam der Drill auch bald zu seinem Ende und ein einer Bratwurst immer noch sehr ähnlich sehender Hecht wurde aus dem Wasser gekeschert. Seine 50cm hätten wohl auch keinen Anfänger begeistert, aber immerhin war der Tag nicht langweilig. Am nächsten Tag versuchte ich es an der Oker. Bewaffnet mit ultrafeiner Spinnrute und Spinnern wollte ich den Barschen und anderen Räubern an den Kragen. Gleich der erste Biss am Waller Wehr kam mir als Barschbiss zu kräftig vor, doch er wollte sich nicht noch einmal zeigen. Dafür fing ich reichlich Barsche. Es waren keine Riesen, aber die zwischen 18 und 23cm nahm ich mit. So hatte ich eine Stunde später 9 dieser Barsche von zusammen etwa einem Kilo, die ich abends zu köstlichen Filets verarbeitete. 

Nach einer abwechslungsreichen Woche und einem erfolglosen, aber extrem stürmischen Nachtangeln in Sonnenberg zog es mich am 28.10. wieder an die Oker. Aus einer unerklärlichen Vorahnung heraus montierte ich dieses Mal eine Rolle mit einer 15er Geflochtenen an meiner Lieblingsspinnrute. Ich hatte mich auch bei Angelsport Becker mit Spinnern der Größe 1 eingedeckt, denn mein Bestand war nahezu aufgebraucht. Am Waller Wehr angelangt, stellte ich überrascht fest, das der Wasserstand der Oker trotz des Regens am Tag zuvor noch weiter gefallen war. Es würde schwierig werden, noch eine tiefe Stelle zu finden, an der ich einen größeren Fisch fangen könnte. Aber ich versuchte es trotzdem zunächst am Wehr. Hier fing ich 4 Barsche zwischen 11 und 18cm. Das war ja irgendwie noch nichts. Bei einem Wurf dicht an die Strömungskante erfolgte ein kräftigerer Biss und der Fisch dazu war auch deutlich größere 28cm lang. Leider war es mal wieder ein Hecht. Diese Stelle war wohl abgefischt und so ging ich die Stellen an der Oker Platz für Platz ab. Nach einigen Würfen gab es einen kurzen Schlag in der Rute und einen kleinen Schwall im Wasser. Ich hatte nicht genau erkennen können, was das war, darum warf ich die Stelle wieder und wieder an. RUPP! Da war er wieder und wie auch sonst: es war wieder ne Bratwurst! Zum Glück ging sie noch im Wasser ab.Langsam nervte es. Gab es denn auf dieser Welt keinen anständigen Raubfisch mehr? Ich hatte bisher einen 63er Hecht als größten Fisch des Jahres in der Fangkarte stehen; das konnte doch nicht alles sein. Der nächste Platz versprach Erfolge. Hier hatte ich beim letzten Mal viele brauchbare Barsche gefangen und würde auch jetzt des Öfteren dieses ersehnte Zucken der Rutenspitze erleben. Es gab trotz des geringen Wasserstandes eine etwa 2 Meter tiefe Rinne und einen langen krautfreien Flussabschnitt. Der einser Spinner war auch hier das Erfolgsrezept für einige kleinere Barsche. Da es an diesem Tag immer noch der erste Spinner war, wurde ich etwas risikofreudiger und knüppelte den Kunstköder so weit es ging die Oker hinunter. Der Spinner landete nach einem schnurgeraden 30-Meter-Flug an einer bisher nie erreichten Stelle. Sehr zufrieden über den Wurf und in steter Erwartung des großen Rutenkrümmers kurbelte ich ein. Der Spinner war vielleicht noch 15 Meter von mir entfernt, als mir auffiel, das hier etwas nicht stimmte. Die Schnur ließ sich mit normalem Widerstand aufwickeln, aber im Wasser sah es so aus, als würde ein großer Krautballen am Haken hängen, denn auf Höhe des Spinners erschien eine gleichbleibende Bugwelle. Noch ein, zwei Meter weitergekurbelt und ich konnte die Situation erkennen: ein großer dunkler Kopf folgte dem Spinner in 10cm Entfernung. Was sollte ich tun? Schneller kurbeln damit er zupackt vielleicht, aber dann wäre der Spinner an die Oberfläche gekommen und hätte sich nicht mehr richtig gedreht. Oder langsamer, damit er aufholen kann, aber vielleicht wäre er dann auch abgedreht. Rein logisch gesehen würde er automatisch den Spinner erreichen, wenn ich etwas langsamer kurbelte. Das tat ich auch. Ich erwartete nicht, das es klappt, aber der Hecht reagierte so, wie man es aus schlechten Filmen kennt: SCHNAPP! KNUFF! Da kam der Anhieb mit dem Gefühl, bei einem Hänger angeschlagen zu haben. Der Hecht drehte darauf nach rechts ab und zog in die tiefe Rinne. Dabei konnte ich ihn kurz von der Seite sehen, wobei ich ihn so auf etwas über 60 einschätzte. Der Spinner saß jetzt auf jeden Fall im Maul, deshalb drillte ich ihn recht weich. Ich war zwar froh über meine Schnurwahl, aber wie würde sich ein so dünnes Schnürchen an den scharfen Hechtzähnen bewähren? Nach einer Wende schwamm er nun flussabwärts, wobei ich ihm gut 10 Meter geben musste. Doch Hechte sind irgendwie keine Karpfen und ermüden bei einer Flucht schnell. Zudem lassen sie sich einigermaßen problemlos zum Umkehren bewegen. Zugegeben, der Okerabschnitt war recht unauffällig und eignete sich daher nicht für lange Drillbeschreibungen... Nachdem er hier und da mal ins Kraut geschwommen war, lag er nach etwa 5 Minuten dann doch im dieses Mal sollte es nicht daran liegen großen Metallica-Kescher und wurde ans Ufer gewuchtet. Erst jetzt sah der Hecht deutlich größer als im Wasser aus und brachte es letztendlich auf immerhin 72cm bei 4 Pfund 200g. Das Zeitalter der Bratwürste war endlich vorüber. 

Martin Ganskow