Knick in der Brezel

11.06.2004: Ich saß mit Matthias B. an der Oker, um die Fledermäuse zu zählen, die uns in die Schnüre der Aalruten flogen. Ich hatte gerade einen Biss auf Tauwurm versemmelt, als die Raubfischrute, die mit Köderbarsch auf Grund lag, plötzlich aus ihrer Starre erwachte. So schnell es ging, versuche ich zur Rute zu gelangen, aber Blume und mindestens 4 weitere Ruten versperrten mir den Weg. Als ich endlich ankam, war natürlich längst alles vorbei. Ich hatte nur die Schnurbremse aufgedreht, da das bei Aalen auch immer reichte. Doch diesem Rutenwackler war der ihm sich bietende Widerstand wohl zu groß und so entschied er sich dazu, lieber noch einige Tage hungrig durch die Oker zu schwimmen. Meiner klaren Diagnose, dass es sich hier nur um einen großen Barschartigen handeln konnte, fügte Blume die qualifizierte These hinzu, dass ich einen Knick in der Brezel hätte und es bestimmt nur ein untermaßiger Hecht war. 

Der Abend wurde aber trotzdem noch sehr erfolgreich, da sich drei Aale komischerweise immer an meine Ruten verirrten. Beim dritten Aal war der Schmale fest davon überzeugt, das es sein Aal war, da er kurz zuvor auch einen Biss hatte, ihn aber vergeigte, weil noch eine von meinen Ruten über seiner lag. Tja, da hatte er wohl irgendwie recht und deshalb... Nein, mal ganz ehrlich: ich wäre nie auf die Idee gekommen, ihm ausgerechnet den größten Fang des Abends zu überlassen. Denn dieser enorm dicke Kollege biss zu allem Überfluss auch noch an der Winkelpicker, die ich waghalsigerweise mit Tauwurm beködert hatte. Der Drill verlief aber relativ einfach und so war ich mir sicher, dass ich ihn auch ohne Probleme 'rausheben konnte. Schwein gehabt! Denn die 18er Hauptschnur hätte auf sich kringelnde 430 Gramm bei 60cm auch anders reagieren können. Jedenfalls war Blume sauer und wollte so schnell nicht mehr zum Abendangeln mitkommen. 

6 Tage später: Ich saß wieder an der Mündung, wieder mit Köderbarsch und Tauwurm. Wieder ein zu vorsichtiger Biss an der Raubfischrute. Die Aalruten blieben zunächst ruhig, bis zum Biss an der Winkelpicker. Nach dem Anhieb merkte ich gleich, das es kein Aal war und kurbelte unzufrieden ran. Da kam auch schon ein silberner Klodeckel an die Oberfläche. In der Dunkelheit konnte ich ihn nicht genau erkennen, deshalb holte ich meine Kopflampe, die natürlich wieder nicht da war, wo man sie vermuten würde. Ich nahm mir vor, sie rauszuheben, wenn es eine Brasse war. Doch es war ein Güster in beeindruckender Größe. Ich baute dafür sogar extra meinen Weißfischkescher auf, denn 4,55 m sind an diesem Steilufer äußerst praktisch. Boar - der Güster war mit 37cm bei 770 Gramm wirklich groß und machte einen tollen Platscher bei seinem Abgang. Wenig später biss noch ein kaum längerer Aal, dann war Feierabend. Als ich Blume am nächsten Tag davon, und vom Biss auf Barsch berichtete, bekam ich von ihm nur so etwas wie eine Verformung in einem Teiggebäck mit Salzkörnern zu hören. 

20.06.2004: Ich hatte erneut Zeit, als auch einen mobilen Untersatz, um an der Oker den abendlichen Fischbestand zu überprüfen. Da ich erst weit nach 21 :00 Uhr eintraf, war ich in Sorge, ob ich noch einen Köderfisch fangen würde. Doch mit dem Wunderköder Made hatte ich bald einen Barsch herangezupft. 15cm waren jedoch obere Grenze, deshalb ließ ich die Made noch drin. KRIBBELDIKRIBBEL! Da meldete sich auch schon ein Interessent für die Fliegenlarve. Juhuuu! Ein 12er Rotauge; optimal für' s Raubfischangeln. Ich überlegte so scherzhaft: "An Warthesee lief es doch auch gut mit Rotauge. Dann wird das hier auch den Fang bringen - den großen Fang!" Pluntsch! versank der Weißfisch fertig montiert in den braunen Fluten. Inzwischen war es 22:30 Uhr und es wurde dunkel. Ich hatte dieses Mal die Schnur im rechten Winkel nach unten ganz vorsichtig unter einen Zweig geklemmt und den Schnurbügel offen. Nach dem geringen Widerstand des Zweiges konnte der Fisch einfach Schnur ziehen. Es flogen immer wieder Fledermäuse in die Schnur, was entweder die Rutenspitzen bewegte oder den Bissanzeiger aktivierte. 

23:00 Uhr: Piep! "Verdammte..." Piiiiiiiiiiiiiiiep! "Oh!" Dieses Mal kam ich besser zur Rute und fühlte an der Schnur. Doch diese wurde mir kraftvoll aus den Fingern gezogen. Da es hier viele Hänger gab, konnte ich nicht sehr lange warten. Anhieb - Hänger. Nee, doch nicht. Boar, der ließ sich aber mehr als langsam in meine Richtung ziehen. Zum Glück waren Rute und Co. auf solche Belastungen ausgelegt und so konnte ich kräftig dagegenhalten. Nach zwei Metern kam er an die Oberfläche: PLATSCH!!!!! Erst jetzt sah ich, wie knapp er vor den Pflöcken gewesen sein musste, die hier die Oker durchziehen. Der Zug, in dem nicht eine Körperbewegung zu spüren war, verlief nun langsam nach rechts, auf einen Ast im Wasser zu. Doch er war einfach zu langsam und so bekam ich ihn gut daran vorbei. Er versuchte noch zweimal, abzutauchen, dann lag er träge an der Oberfläche - und: er war Zanderförmig! Da ich mir den Kescher bereitgelegt hatte, war alles Andere schnell getan. Außer, dass es noch ein Schnur- und Rutenchaos gab. Ich öffnete den Wirbel am Stahlvorfach, welches nur noch wenige Zentimeter aus dem Maul herausschaute, und trug den Zander zum Angelplatz. Er sah aus, als wäre er nicht übermäßig groß, aber bei Zandern hatte ich es noch nie drauf. 73cm und unglaubliche 7 Pfund 100g machten ihn zu meinem größten Zander. Jetzt aber schnell einpacken und zu Benny. Hier fing ich wohl sowieso nichts mehr und Benny musste den nächsten Tag früh (um 02:30 Uhr) raus. Als ich alles im Auto hatte, rief mich Jens an - dem war auch keine Uhrzeit heilig. Doch dann kam ich endlich bei Benny an und klingelte zaghaft - ich bin übrigens auch nicht besser. Nach einer endlosen Wartezeit öffnete ein schläfriger Benny die Tür und wurde von mir sogleich zum Auto gebeten. Ich konnte ihn jedoch nicht wirklich für meinen Fang begeistern und er schaffte es auch nur noch halbwegs, ein Foto zu machen. Und wie es bei so einem analogen Fotoapparat nun einmal häufig ist, war nach einem Bild der Film voll. Nach einer kurzen Verabschiedung fuhr ich nach Hause, um hier noch jemanden wach anzutreffen. Dem war auch so und meine Mutter machte auch ein Foto. Und warum auch nicht: nach einem Bild war der Film voll! Man muß es mit dem Glück ja auch nicht übertreiben. Aber wenigstens war der Knick in der Brezel ein sehr gelungener. 

Martin Ganskow